Schute mit Reisig beladen, um Küstenschutzmaßnahmen durchzufrühren
Jürgen Vrinssen©

Schuute beladen mit Faschinen

Küstenschutz


Hal­li­gen im Wan­del der Zeit

Hal­li­gen be­ste­hen aus Marsch­bo­den, der oft nur eine dün­ne Schicht über äl­te­ren Moo­ren bil­det, die im Schutz der Neh­run­gen, die die Sen­ke zur Nord­see hin fast gänz­lich ab­schloss, ent­stan­den. Es bil­de­te sich ein mit Bä­chen durch­zo­ge­nes, schlecht ent­wäs­ser­tes Nie­de­rungs­ge­biet mit Bruch­wäl­dern. Als wäh­rend des rö­mer­zeit­li­chen und des mit­tel­al­ter­li­chen Tem­pe­ra­tur­op­ti­mums der Was­ser­stand der Nord­see stieg, drang zu­neh­mend Mee­res­was­ser durch Lü­cken in den Neh­run­gen ein. Da­bei bil­de­te sich aus ma­ri­ti­men Se­di­men­ten, die sich ab­la­ger­ten, Schwemm­land. Die Moo­re so­gen sich mit Salz­was­ser voll und star­ben ab. Der Bo­den senk­te sich, wo­nach sich durch häu­fi­ge Über­flu­tun­gen neue Se­di­men­te ab­la­ger­ten. Durch gleich­zei­ti­ge Ero­si­on ver­än­der­te sich die Form die­ses Schwemm­lan­des dau­ernd.

 

Be­dingt durch feh­len­den oder nur ge­rin­gen Küs­ten­schutz und die da­mit ver­bun­de­nen häu­fi­ge­ren Über­schwem­mun­gen gab es wei­ter­hin gro­ße Ver­än­de­run­gen an der Küs­ten­li­nie und deut­lich mehr Hal­li­gen, die ihre Form häu­fig än­der­ten. Man­che exis­tier­ten nur für kur­ze Zeit, bis ein Watt­strom sie mehr und mehr ver­klei­ner­te, an­de­re ver­grö­ßer­ten sich durch Se­di­ment­an­la­ge­rung und wuch­sen zu­sam­men, wie zum Bei­spiel Nord­marsch und Lan­ge­neß zum heu­ti­gen Lan­ge­neß. Der ge­naue Vor­gang ist nur schwer zu re­kon­stru­ie­ren, da es aus der Zeit vor 1700 nur we­ni­ge Kar­ten gibt.

 

Wäh­rend auf dem Fest­land und den grö­ße­ren In­seln schon im 14./15. Jahr­hun­dert mit Eindei­chun­gen und Land­ge­winn be­gon­nen wur­de und im­mer bes­se­re Dei­che das Land schütz­ten, blie­ben die wei­ter au­ßen lie­gen­den Hal­li­gen den Flu­ten aus­ge­setzt. Ver­su­che der Schles­wi­ger Her­zö­ge, die Da­ge­bül­ler Bucht durch ei­nen Damm über meh­re­re Hal­li­gen hin­weg ein­zu­dei­chen, schei­ter­ten nach fast 80-jäh­ri­ger Bau­zeit 1634 end­gül­tig an der Burchar­dif­lut. In den fol­gen­den Jahr­hun­der­ten be­schränk­te sich die Land­ge­win­nung auf den An­wachs am Fest­land und den schon ge­won­ne­nen Kö­gen. Ei­ni­ge grö­ße­re Hal­li­gen wie Ock­holm und Da­ge­büll wur­den land­fest ge­macht, land­nä­he­re klei­ne Hal­li­gen wie Way­gaard und Gro­tesand in neu­ge­won­ne­ne Köge mit­ein­be­zo­gen. Die au­ßer­halb der Köge lie­gen­den Hal­li­gen hat­ten mit den ver­än­der­ten Strö­mungs­ver­hält­nis­sen zu kämp­fen, da der Ti­den­hub im nun durch Dei­che be­grenz­ten Wat­ten­meer zu­nahm. Al­lein zwi­schen 1717 und 1720 soll ein Vier­tel der Land­flä­che ver­lo­ren ge­gan­gen sein, wie aus ei­nem Schrei­ben des Rat­manns von Oland an den Kö­nig her­vor­geht, in dem er um Min­de­rung der Ab­ga­ben bat.

 

Seit dem gro­ßen Land­ver­lust bei der so­ge­nann­ten Hal­lig­flut von 1825, die fast alle au­ßer den heu­te noch exis­tie­ren­den Hal­li­gen ver­schlang, über­nahm der Staat die Auf­sicht über den Küs­ten­schutz. In den fol­gen­den Jahr­zehn­ten wur­den die Hal­lig­kan­ten be­fes­tigt. Man­che Hal­li­gen wie Hoo­ge er­hiel­ten ei­nen Som­mer­deich. Al­ler­dings wehr­ten sich die Hal­lig­be­woh­ner oft ge­gen die­se Maß­nah­men, vor al­lem, weil sie die Kos­ten selbst tra­gen muss­ten, aber auch, weil sie die Prie­le, die nun ab­ge­dämmt wer­den muss­ten, um dem Meer kei­ne An­griffs­flä­che zu bie­ten, als Hä­fen und Trans­port­we­ge be­nutzt hat­ten. Erst un­ter preu­ßi­scher Re­gie­rung wur­de der Schutz der Hal­li­gen 1894 ver­staat­licht.

 

Aufwarftungsmaßnahme an Mitteltritt, Hallig Hooge
Jürgen Vrinssen©

 

Hal­li­gen heut­zu­ta­ge

Heut­zu­ta­ge nimmt die Flä­che der Hal­li­gen nicht mehr ab, son­dern ver­grö­ßert sich eher durch die An­la­ge von Lah­nun­gen be­son­ders ent­lang der Däm­me, die ein­zel­ne Hal­li­gen, Oland und Nord­stran­disch­moor, mit dem Fest­land ver­bin­den. Die stei­gen­den Hö­hen der Sturm­flu­ten er­for­dern re­gel­mä­ßi­ge An­pas­sun­gen. 1960 wur­de der Hal­lig­schutz in das Pro­gramm Nord auf­ge­nom­men und die Warf­ten er­höht und be­fes­tigt. Zum Schutz der Hal­li­gen tra­gen auch die im Wes­ten vor­ge­la­ger­ten nord­frie­si­schen Au­ßens­än­de bei.

 

Hal­li­gen in der Zu­kunft

In­fol­ge des stei­gen­den Mee­res­spie­gels so­wie der ver­mu­te­ten Zu­nah­me von Sturm­flut­häu­fig­keit und –in­ten­si­tät wer­den die Hal­li­gen in Zu­kunft stark vom Kli­ma­wan­del be­trof­fen sein. Auf­grund der re­gel­mä­ßi­gen Über­flu­tun­gen bei Sturm­flu­ter­eig­nis­sen ist zwar ein An­wach­sen der Hal­li­gen durch ein­ge­tra­ge­ne Se­di­men­te mög­lich, ob die­se Se­di­men­ta­ti­ons­ra­ten den An­stieg des Mee­res­spie­gels aus­glei­chen kön­nen, ist noch nicht si­cher.
Da­her hat un­ter der Füh­rung des Lan­des Schles­wig-Hol­steins und der Be­tei­li­gung des Lan­des­be­trie­bes für Küs­ten­schutz und mit en­ger Ein­bin­dung der Hal­lig­be­woh­ne­rin­nen und -be­woh­ner ein Pro­zess be­gon­nen, an des­sen Ende die Auf­warf­tung al­ler be­wohn­ten Warf­ten steht. Der An­stieg des Mee­res­spie­gels und die er­rech­ne­ten An­for­de­run­gen, die durch ein hun­dert­jäh­ri­ges Hoch­was­ser ent­ste­hen, sind die Grund­la­ge für die ge­plan­ten Warf­ter­hö­hun­gen. Die ers­te Maß­nah­me wird für 2020 er­war­tet.
 
Küstenschutzschiff mit Bagger an Bord
Jürgen Vrinssen©

 

Kleines Deichlexikon / lüttjsche Diek Lexikon:

besticken:

alte Kantensicherungsmethode, befestigen von Stroh oder Reet als Uferschutz

buschen:

verfüllen der Buschlahnung mit Faschinen (s.u.)

Buschlahnung:

Uferschutzanlage quer zum Deich oder zur Halligkante mit doppelter Holzpflogreihe, gefüllt mit Faschinen

Faschine:

geschnittenes und gebündeltes Tannenholz

Geröll:

größeres rundes Steingut, Auffüllmaterial

Grant:

kleines Gestein mit unterschiedlichen Formen Gestein, Unterbau

Granit, Basalt:

Hauptgesteinsarten für den Steindeich

grüppeln:

entwässern des Deichs

Halligkante:

befestigte Sicherungskante

Hark:

Harke

Igel:

Kantensicherung mit Raudeckwerk (kantig gesetzte Steine)

Korblahnung:

Uferschutzanlage aus Drahtgeflecht gefüllt mit Geröll

Null:

Ausgangspunkt für die Vermessung der Hallig, feststehend

Schlickrutscher:

Arbeitsschlitten zum Transportieren von Material bei Ebbe

Schüffel:

Schaufel

Schuut:

Transportschiff

Siel:

Durchlassbauwerk

Soden:

ausgeschnittene Grasflächen aus dem Halligland

Sommerdeich:

niedriger Deich mit Grasbewuchs

Spoten:

Spaten

Steindeich:

künstlich mit Steinen aufgebauter Deich mit Steinen, dient dem Halligschutz

Steinlahnung:

Uferschutzanlage aus Steinen und Buhnen quer zur Halligkante

Teek:

Spülsaum, Treibsel

Vorschütt:

liegt außen vor dem Steindeich, dient der Steindeichfußsicherung

wackern:

einrammen von Holzpflockreihen mit einer Motorramme